Wo soll ich anfangen?
Jedenfalls nicht dort wo ich es vermutet hatte. Immerhin habe ich begonnnen diesen Beitrag Mitte 2019 zu schreiben. Vor Corona. Scheiße, noch bevor jemand überhaupt von Corona hätte ahnen können. Es war im Mai 2019. Einer der heißesten Sommer, die ich je erleben würde, würde noch vor mir liegen. Ich sollte diesen Beitrag mehr als 1 Jahr unberührt lassen. In dieser Zeit würde unfassbar viel passieren. So viel, dass ich es nicht mal Ansatzweise in diesen einen Beitrag verarbeiten könnte.
Dabei gehe ich jeden Abend mit zahllosen Gedanken, Ängsten, Emotionen und Erinnerungen schlafen. Es treibt mich um. All das sollte niedergeschrieben werden. Für die Nachwelt. So es denn eine geben sollte.
Aber fangen wir dort an, wo ich vor mehr als einem Jahr meine Zeilen begonnen hatte und schauen wir einfach wo der Weg uns hinführt, ok?
Vielleicht muss ich künftigt einfach häufiger über meine Gedanken schreiben und so eine Art Tagebuch hinterlassen. Das wäre vermutlich einfacher. Doch irgendwie kommt täglich etwas dazwischen. Der Alltag holt mich ein. Aus einem „Heute auf jeden Fall“, wird ein „Morgen ist auch noch ein Tag.“ Daher kann ich nicht einmal sagen, ob ich nach der Veröffentlichung dieses Beitrages diese heren Ziele einhalte, oder erst nach Jahren wieder einen solchen Beitrag veröffentliche. Ich sollte mich von jedem persönlichen Druck einfach frei machen und einfach schreiben, oder? Wie oft habe ich das schon zu mir selbst gesagt.
Stand heute, wie vor mehr als vor einem Jahr ist Folgender: Die Welt geht den Bach runter. Gefühlt.
Und ich habe dabei eine verdammte, tägliche Lebensangst. Um mich selbst. Um meine Familie. Mehr denn je jedoch um meine junge, glückliche und so verspielte Tochter. Sie scheint von dem ganzen Trubel um sie herum nichts zu merken, genießt einfach jeden Tag und freut sich auf KiTa, FreundInnen, jede Wetterlage und ihre geliebten Eltern. War ich mit vier Jahren auch so ein Sonnenschein?
Wie wird sie aufwachsen? Wird sie irgendwann in einem dystopischen Szenario, allein, dreckig, hungrig, jeden Tag ums Überleben kämpfend, aufwachen? Wie lange kann ich sie beschützen?
Oder wird alles gut? Umgeben von Ihren Liebsten – langlebig, gesund, geliebt?
Ich weiß es nicht. Und all das lässt mich Abend für Abend unruhig und ohne Lösung einschlafen. Weil es sich meiner Kontrolle entzieht. Weil die Welt da draußen sich in eine Richtung entwickelt, die mir Angst bereitet. Vielleicht ist es auch die typische Angst, die ein jeder Vater und eine jede Mutter hat.
Wohin ich meinen Blick derzeit auch wende, läuft so unfassbar viel falsch, dass man gar nicht weiß an welcher Front man zu erst kämpfen soll. Denn jeder Kampf schwächt einen und ermüdet einen dauerhaft. Immer mehr und mehr.
Impfgegner; Klimakrisenleugner; Wahnsinnig schnell schmelzende Eismassen an den Polen, rückläufige Gletscher und auftauende Permafrostböden; Ein Kipppunkt nach dem anderen fällt; Immer noch mehr CO2; Verschwörungstheoretiker – ja geradezu Fanatiker; Leugnung von Wissenschaft; übersäuerte, überfischte, plastikverseuchte Ozeane; Trotz besseren Wissens gibt es immer noch aktive Atom- und Kohlekraftwerke; Neue Atommeiler sind gar im Bau begriffen; Rodung von Regenwäldern; Sterben von Wäldern durch mangelnde Wassergrundlagen, Brände oder Borkenkäfer die besonders in absterbenden Wäldern sich zusehends vermehren und dort noch mehr Schaden anrichten als eh schon vorhanden – das alles nicht nur in Deutschland, sondern auf dem gesamten Planeten; Hungersnöte und so viele Menschen, die jeden Tag daran sterben; Kinder, Mütter & Väter die im Mittelmeer jämmerlich ertrinken – ohne Hoffnung auf Hilfe; offener, ungestrafter Rassismus; Homophobie; Intoleranz; Umweltzerstörung; Kriege; Vergewaltigungen; Morde; Kinderschänder; politische und wirtschaftlich krasse Fehlentscheidungen; Unnötige und Lebenszeit fressende Bürokratie; Erschreckende Wahlergebnisse; Mächtige Menschen in denkbar ungünstigen Positionen; Trump, Erdogan, Putin, Kim-Jon-Un, und viele andere Diktatoren, die auch noch Unterstützung von vollkommen verblendeten Menschen erhalten, denen eine Schwarz-Weiße Welt lieber ist, als die eigentlich wunderbare, komplexe und Vielschichtigere; Drogenkriege und Süchtige, die Ihre Familien im Dreck elendig verrecken lassen; Übermäßiger Alkoholkonsum; Korruption und Milliardenbetrügereien ohne echte Folgen; Massenhaft Waffen und dazu vollkommen unlogische, entmenschlichende Gesetze, die zulassen das Kinder in Schulen durch eben diese sterben oder ein Leben lang entstellt werden; Elendige Massentierhaltung; Ultrahoher und amoralischer Fleischverzehr; Massenaussterben von Flora & Fauna – ohne das es einen weltweiten Aufschrei gibt; Verachtung von Schülern (Unserer eigenen Zukunft!), die gegen die immer unaufhaltsamer auf uns zu rückende Klimakatastrophe auf die Straße geht, während wir es schlichtweg nicht tun und im Sofa bei Netflix & Co immer mehr Chips, Cola und andere Dinge in uns hineinstopfen; Unwürdige, sklavenhafte Arbeitsbedingungen in viel zu vielen Orten weltweit; Ein Energieverbrauch als würde Strom unendlich verfügbar sein; Unfassbar Reiche und gleichzeitig so verantwortungslose Menschen; Alibi Religionen ohne echte Verantwortung oder gar ein tiefgreifendes Verständnis für deren eigentlichen Inhalte – und sei es nur Nächstenliebe; Außer Kontrolle geratene sogenannte Soziale Medien, die aus Profitgedanken sich selbst überlassen werden; Gier; Neid; Missgunst; Dummheit; Fanatismus; Egoismus; Hass; Menschen die sich nicht mehr von faktenbasierten Argumenten überzeugen lassen, sondern mit Fake-News-Blendgranaten um sich werfen, um alles um sich herum erblinden zu lassen und letztlich doch nur sich selbst treffen; Brüder, die sich zerstreiten; Menschen die den Status Quo als zufriedenstellend genug betrachten; Angst und Hybris.
Die Aufzählung ist ermüdend endlos.
Schwer bei all diesen Dingen an ein gutes Ende zu glauben. Die Hoffnung zu bewahren. Vor allem dann, wenn das alles nicht erst seit gestern so geht, sondern schon seit Jahren. Sich zusehens zuspitzt. Gefühlt nicht besser, sondern immer schlimmer wird.
Und dabei habe ich weite Teile des Beitrags Anno 2019 geschrieben. Seitdem sind noch einige Dinge dazu gekommen. Maskenverweigerer; Coronaleugner; Korrupte Politiker; Ein veganer Koch den man einst wegen seines Tierschutzengagements feierte – trotz oder gerade wegen seiner aneckenden Art; Ein Sänger, der einst so tolle, tiefsinnige und emotionale Lieder gesungen hatte und so viele mehr, die unter dem Brennglas der Coronapandemie ihr wahres, einfältiges, Ich offenbarten.
Ich weiß nicht ob das alles auch nur eine Illusion ist, die aufgrund der modernen Technologie einem viel näher und übermäßig groß vorkommt, als es die Realität eigentlich rechtfertigen würde. Das Smartphone morgens bis Abends in der Hand, ein 4K Fernseher an der Wand und tagsüber 2 Monitore, die einen ebenso unweigerlich in die Untiefen der digitalen Welt hineinziehen. Ohne Pause. Ohne Unterlass wird man medial und mit maximalem Detailreichtum bombardiert. Jede entmenschlichende Grausamkeit direkt in die Synapsen gebrannt. Binnen Millisekunden. War das früher so?
Früher… Früher hatte ich gedacht, dass Schlimmste was uns im Jahr 2020 passieren könnte, wäre die Abwehr eins Asteroiden, Aliens, oder einer Ölkatastrophe. Tendenziell habe ich aber eher positiv in die Zukunft geblickt. Dachte, dass wir schon längst eine Basis auf dem Mond, vielleicht sogar dem Mars hätten. Das es einen weitgehenden Weltfrieden gäbe. Das Fusionskraftwerke ans Netz gegangen sind, oder wir zumindest unseren Strom größtenteils aus erneuerbaren Energiequellen beziehen. Das darüber abgestimmt wird, welche gemeinsame Sprache in Europa künftig gesprochen werden würde und wie viel ein Mensch wirklich noch Arbeiten müsse.
Gut. Zugegeben. Das mit der Sprache ist mir mittlerweile komplett egal, weil ich ein Mensch geworden bin der Vielfalt liebt und schätzt. Die Idee stammte auch eher aus Star Trek, wo universelle Translatoren jedwede Sprachbarriere aufgelöst haben. Wie schön wäre das? Menschen die sich verstehen und einander zuhören.
Grundeinkommen. Zeit für die Familie. Zeit für persönliche Weiterbildung. Abrüstung. Ehrliche Politik, die das Beste für die Gemeinschaft im Sinn hat und nicht die eigenen Pfründe und die eigenen Karrierewege auf häufig intriganteste Weise sichern will. Mehr E-Autos als Verbrenner. Mehr verantwortungsvolle Menschen, die sich gegenseitig helfen und vertrauen.
Und na klar: Hier kommt das obligatorische „Früher war alles besser.“ Selbst im Bewusstsein, dass dieser Gedanke trügerischer nicht sein könnte, bleibt das Gefühl im Herzen und drängt sich immer wieder nach oben ins Bewusstsein.
Ich nenne es das „Nintendo – Super Mario“ – Gefühl. Kennt ihr das? Wisst ihr was ich meine? Dieses „Damals gab es noch etwas zu entdecken“-Gefühl. Schwer zu beschreiben. Ich weiß nur, dass ich in letzter Zeit immer wieder daran denken muss: „Wie hätte man vor 10 oder 20 Jahren über – nur als Beispiel gemeint – das Thema Masken gedacht? Wäre es da auch zu diesem unseeligen Diskusion gekommen?“
Ich bilde mir in meiner Fantasie ein, dass man eher über die Vielfalt und Kreativiät der unterschiedlichen Maskendesigns gesprochen hätte. Vielleicht hätte es in den Zeitungen und im Fernsehen eine Art „Best of Maskendesign“ gegeben mit lachenden Menschen, die ihre verrücktesten und ausgefallensten Ideen präsentieren und ein Auto gewinnen? Vielleicht irre ich auch. Vielleicht gibt es das alles und ich bin in meiner eigenen Bubble gefangen.
Das Internet von früher war ein Ort für Entdecker. Jeden Tag etwas Neues. Jeden Tag ein weiterer spannender Trick. Die Gamingzeitschriften haben Lust auf mehr gemacht und man hatte jede Verzögerung eines neuen Spiels mit einer insgeheim und kaum auszuhaltenden Vorfreude verflucht! Mit jeder neuen Monatsausgabe lechzte man nach dem nächsten Quäntchen Informationen, über den heiß ersehnten Titel. Ich konnte mich stundenlang über nichts anderes unterhalten! Und wenn es nur die Systemanforderungen oder die nächste Evolutionsstufe in Sachen Grafik war. In der Hoffnung es handelte sich nicht um vorgerenderte Zwischensequenzen, sondern Echtzeitgrafik. Alles war von einem positiven, spielerischen Zauber erfüllt.
War das nur die Jugend? War es eine andere Zeit? Ist das alles nur in meinem Kopf so schlimm geworden, bzw. in meinen Erinnerungen so romantisch-verklärt? Und jeder andere empfindet es heute immer noch als Abenteuer? Oder ist es, wie ich es beschreibe? Ich weiß es nicht.
Insgesamt hoffe ich das alles wieder besser wird. Das wir als Gesellschaft Lösungen finden und unseren Spaß zurück gewinnen. Das meine Tochter in einer blühenden Welt aufwächst, die nach mehr strebt als nur den eigenen Vorgarten möglichst ebenso perfekt aussehen zu lassen, wie den im Carport stehenden SUV.
Und vielleicht bin ich damals auch einfach blind gewesen, weil das alles schon existiert hatte. Der ganze Hass, die ganze Wut – der ganze Mist. Ich will es hoffen. Hoffen das ich mich einfach irre. Hoffen, dass ich irgendwie den Weg zurück zu meinem inneren Kind finde. Diese ganze positive Kraft zurück gewinnen kann, die fähig war ein Schutzschild aufzubauen und alles Schlechte zu ignorieren, was um einen herum und in der Welt passierte. Und sie damit sogar zu einem besseren Ort machte.
Das mag egoistisch klingen. Denn selbst wenn ich mir einrede das alles gut wird, heißt das noch lange nicht das es auch so ist. Weder für mich und schon gar nicht für viele andere Menschen. Doch es fühlte sich damals einfach besser an. Eine unumstössliche und sehr persönliche Wahrheit.
Bis vielleicht bald schon.