Warum die Welt so schlimm ist und was wir dagegen tun können?

Warum die Welt so schlimm geworden ist und was wir dagegen tun können?

Mich beschäftigt in letzter Zeit das politische Weltgeschehen. Nie zuvor habe ich in Sozialen Medien wie z.B. Facebook so viel darüber über gelesen und ja: Auch selbst gepostet. Doch das stimmt eigentlich nicht. Ich habe es geteilt. Das ist ein riesengroßer Unterschied. Denn die wenigsten Beiträge habe ich wirklich gelesen. Maximal überflogen. Meistens hat mir die erste grafische Statistik und die passende Headline gereicht. Asche auf mein Haupt und für Dich: Hand aufs Herz: Dir geht es bestimmt nicht anders? Komm. Wenn Du ganz ehrlich zu Dir bist. Hm? Wenigsten ein bisschen?

Da wäre die Flüchtlingsdebatte in Deutschland, das Auftauchen und Erstarken rechter Parteien und unverblühmter Kommentare von Politikern aus der angeblichen Mitte, für die vor wenigen Jahren noch der anschliessende Rücktritt unausweichlich gewesen wäre. Da sind plötzlich Impfgegner, Trump-Wähler, Brexitwähler. Da ist plötzlich ein türkischer Diktator mitten in Europa. Wie aus dem Nichts haben wir gefühlt an jeder Strassenecke Terroranschläge und Osama Bin Ladens Al Qaida wirkt gegen den IS wie ein Streichelzoo. Politiker fordern mehr drakonische Gesetze um abzuschrecken, reagieren aber im gleichen Atemzug auf ganz naive, aber berechtigte Fragen nur mit Ausflüchten. Usw. usw. usw. Alles kommt einem unlogisch, unmenschlich und vielerorts Verdummt vor. Jeder ist nur noch auf sich selbst bedacht.

Wenn rechte Parteien immer stärker werden und Schwachsinn um sich greift.

Wenn rechte Parteien immer stärker werden und Schwachsinn um sich greift.

Wie kommt das?

Im Prinzip sind Facebook und Google schuld. Ja richtig gelesen. Facebook und Google! Wer ein wenig von dem Algorithmus von Facebook und Co. versteht, weiß das hinter den Werbemaschinen die uralte Idee der perfekten Zielgruppe steht. Das passende Produkt, zum richtigen Zeitpunkt, dem richtigen Menschen präsentiert ist ein statistischer Verkaufsschlager.

Dabei beginnt es ganz harmlos. Am Anfang beschäftigst Du dich mit dem Thema Impfen. Dein Kind soll gerade seine erste Impfung erhalten und Du denkst Dir: „Ein bisserl Backgroundwissen kann nicht schaden“. Du liest Deinen ersten Beitrag übers Impfen. Noch harmlos. Noch relativ neutral. Facebook weiß noch nicht in welche Richtung das ganze gehen soll und welche damit verbundenen Produkte und Dienstleistungen Du möglicherweise kaufen willst. Also präsentiert es Dir einfach mal ein paar grobe Richtungen. Ein buntes Potbourri an Infos. Ein bisserl was über Kombinationsimpfungen, ein bisserl was über Inhaltsstoffe, ein bisserl was über Nebenwirkungen.

Oh, wait: NEBENWIRKUNGEN??? Ein erstes Kribbeln macht sich in der Nackenhaut breit. Du kannst Dich nicht gegen die aufkeimende Fragestellung in Deinem Hirn zu wehr setzen: „Was tue ich meinem Kind da an?“. Und ab hier beginnt für viele eine leider oft unumkehrbare Spirale dessen, was man irgendwann nur noch als eigensinnige Borniertheit bezeichnen könnte. Freunde, die gegenteiliger Meinung sind werden virtuell entfreundet. Gleiches und Gleiches gesellt sich gern. Zum Glück schwimmt sich jetzt alles angenehm mit dem Strom. Tausche Impfen mit allen anderen möglichen Themen aus und Du ahnst was da passiert.

Das hat leider nicht mal etwas mit Dummheit, sondern eher mit Faulheit zu tun. Denn wer gibt schon gerne zu das alle angeblichen Fakten, die man mühsam gesammelt hat, statistischer und wissenschaftlicher Nonsens sind? Dann müsste man ja von vorne anfangen und die ganzen schönen „Fakten“ waren reine Lebenszeitverschwendung? Nein. Was nicht sein kann, dass nicht sein darf!

Zudem ist eine Argumentation heute um ein vielfaches einfacher geworden. Wie oft erhalte ich bei einer Frage zu einem gewissen Thema nur noch die banale und nichts sagende Antwort: „Schon gegooglet?“. Ne, weißte. Da bin ich noch gar nicht drauf gekommen! Oder ungeprüfte Links mit Inhalten die uralt, nicht korrekt oder nicht selten nicht mal etwas mit dem Thema zu tun haben. Kommt man so nicht weiter: Ausweichmanöver: „Ja, ja. Das mag ja alles sein, aber wusstest Du schon, dass…“ – Entschuldigung? Ist der Typ da gerade an meinem Argument einfach vorbei geschwommen?

Es wird mit Links zu ungeprüften Quellen um sich geworfen, das Menschen die nie gelernt haben Fakten von Lügen und Verschwörungstheorien zu unterscheiden, schlichtweg überfordert sind. Ja, sich sogar in eine Ecke gedrängt fühlen. Der letzte mögliche Ausweg ist dann zurück beißen: „Schon mal was von Meinungsfreiheit gehört?“, „Das ist Deine Meinung“, „Ich habe da halt meine eigene Meinung“. Scheisse, nein. Du hast keine MEINUNG! Du hast bestenfalls eine Idee von einer Meinung. Der Beste Satz der mich neulich zur Weißglut getrieben hat: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Zitiert von einem angeblich gläubigen Christen. Doch die Sache mit dem unsichtbaren Freund ist eine andere Geschichte.

Was ALLE vergessen: Die viel zitierte Meinungsfreiheit befreit niemanden von der Verantwortung und seiner verdammten Pflicht seine Meinung auch zu ÄNDERN. Zum Beispiel wenn die Faktenlage gegen ihn spricht. Im schlimmsten Fall muss man dann seine Meinung ein paar Dutzend mal ändern, wenn immer neue, komplexe und vielschichtige Fakten, Statistiken und neue Erkenntnisse dazu kommen. That’s life. Niemand hat gesagt das es einfach ist. Aber nö: Schwarz / Weiß ist besser. Weil das ist leichtere Mathematik. 1+1=2. Lass mich in Ruhe mit Brüchen, Ungeraden Zahlen, Homosexuellen, anderen Hautfarben, Religionen, Flüchtlingen, Dronenkriegen, etc. etc. etc.

Und so passiert es, dass man nur noch Beiträge liked und teilt, welche die eigene sogenannte Meinung widerspiegeln. Man fragt sich dann verzweifelt: „Warum zum Teufel SEHEN die anderen meine ganz logischen und unwiderlegbaren Argumente nicht?“, „Warum stimmen die Briten trotz eindeutiger Faktenlage doch für und nicht gegen den Brexit?“, „Warum haben die Amerikaner tatsächlich vor diesen Trump als Präsidenten zu wählen?“, „SEHEN. DIE. DAS. NICHT. VERDAMMTE. AXT?„.

Ne. Sehen sie nicht. Weil die schon vor Monaten, teils Jahren in eine dieser Social-Media Spiral-Fallen getappt sind und nicht einmal mehr mit Deiner Meinung konfrontiert werden. Selbst wenn: Viele stecken so tief drin, das sie sich durch Deine „Meinung“ – egal wie logisch und sonnenklar sie Dir vorkommen mag – nur noch mehr in Ihrer eigenen bestätigt fühlen. Nur noch mehr in eine Ecke gedrängt fühlen.

Sehen wir die Welt brennen, oder zündeln wir aktiv mit?

Sehen wir die Welt brennen, oder zündeln wir aktiv mit?

Kurzum: Je mehr Du von dem – sorry – Scheiss teilst und likest und verbreitest, desto mehr bekommst Du davon präsentierst. Algorithmen denken nicht „menschlich“. Sie zeigen Dir lediglich mehr von dem was Du eh schon tust. Sie sind nicht so konstruiert, dass sie etwa denken: „Mensch, es wäre jetzt eigentlich besser wenn ich dem Typen doch noch mal ne gegenteilige Meinung präsentiere, bevor er sich den Kopf aus falschen Gründen kahl rasiert und ne Nachbarschaftswache auf die Beine stellt“. Leider nein. Das tun in 5-10 Jahren vielleicht und mit viel Glück ausgefeilte künstliche Intelligenzen. Aber nur die Guten. #skynet

Und wenn Du das potenzierst, verstehst Du warum einem alles so schlimm vor kommt. Vor allem wenn Du deinen persönlichen Meinungsverstärker (aka Smartphone) schon morgens kurz nach dem Wachwerden mit Infos über den nächsten „Anschlag“ fütterst. Oder kurz vor dem Schlafen gehen noch mal schnell zwei, drei gut geschriebene Beiträge vom Spiegel, Focus und N24 teilst – in der irrigen Hoffnung, dass dies Deine „Meinungsfeinde“ sehen. Nur damit Du das beruhigende Gefühl hast, was Gutes für die Welt getan zu haben. Garniert mit noch ein paar wohl dosierten Kommentaren, entsprechend witzigen Memes, oder Gifs und ab ins Land der Träume von einer besseren Welt. Das wäre dann tatsächlich der „Gutmensch“. Gute Nacht. Schlaf schön. Ja – habe ich auch gemacht. Mea Culpa.

Was wir dagegen wirklich tun können?

Ich fasse es nicht das ich das schreibe. Ich mache Websites. Den ganzen Tag. medienvirus.de wisst ihr? Ich LEBE davon. Es macht mir Spass. Zumindest meistens. Ach und Social-Media: MEIN Spielplatz. Gott, wie ich mich da wohl fühle.

Und dennoch. Die meisten Medien wiederholen es bei jedem Anschlag, oder anderen Ereignissen – verlogen und scheinheilig – gebetsmühlenartig: „Bitte teilen Sie keine Videos, damit die Polizeiarbeit nicht behindert wird“. Was sehen wir im nächsten Einspieler? Genau. Das Video, was wir nicht teilen sollten. Ihr Schelme.

Warum? Weil es Einschaltquoten bringt. Je höher die Einschaltquoten, desto teurer können Werbeplätze verkauft werden. Desto mehr Zugriffe auf Soziale Medien und die jeweiligen Webportale. Desto interessanter auch dort die Werbeplätze und Provisionsabschlüsse. Ein Teufelskreislauf. Die Medien sind unfähig diesen Umstand zu ändern, da sie sich in einem ewigen Konkurrenzkampf befinden. Wenn es N24 nicht tut, tut es NTV umso stärker und freut sich über die weitere Millionen Euro an Gewinnen, während N24 in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Short Story.

Teil. Keinen. Scheiss.

Teil. Keinen. Scheiss.

Also wird mit kurzen Expertenrunden echtes Fachwissen vorgegaukelt. Das gaukelt wiederum „Neutralität“ vor. Die Fragen an diese oft selbsternannten Experten sind immer die selben: „Was muss man denn jetzt beachten, wenn man in ein Einkaufszentrum geht?“, „Müssen wir jetzt Angst vor weiteren Anschlägen in Deutschland haben“, KOTZ – BRECH IM STRAHL.

Darum glänzen solche Menschen wie Marcus da Gloria Martins in solchen Situationen plötzlich wie ein heller Sonnenstrahl. Neutral. Durchhaltend. Argumentationsstark. Und deutlicher Anflug von Ironie auf den Lippen, wenn ein Reporter eine dieser wirklich dummen Fragen stellt.

Dabei kann da jeder seinen Beitrag leisten. Die Lösung ist so banal wie einfach:

Den. Ganzen. Scheiss. Nicht. Teilen.

Ja, so einfach ist das. Denn mit jedem Like, Herz oder Wut-emoticon, mit jedem geteilten Beitrag / Video, mit jedem Kommentar, mit jedem Tweet, etc. pp. – damit gießt ein jeder nur noch mehr Öl ins Feuer. Und überdies bekommt ein jeder nur noch mehr unmittelbare News präsentiert, auf die wiederum die Medien wie Schmeissfliegen reagieren, weil das gleichbedeutend mit einem Trend ist. Da will jeder sofort selbst etwas vom Kuchen. Bevor nur noch Krümel übrig sind. Selbst Firmen die nichts, aber auch rein gar nichts damit zu tun haben, steigen auf diese Spirale auf. Oder warum tragen plötzlich Spiele-, Parfüm, oder Softwareherstellerportale Trauerbeflaggung in den Sozialen Profilen, wenn es in irgendeinem Land wieder mal gekracht hat?

Mal ehrlich: Wer von uns hätte unter folgender Headline vor 10 Jahren gelesen, das es sich NICHT um einen islamistischen Anschlag handelt: „Tödliche Schießerei am Uni-Klinikum Neukölln – vermutlich kein islamistische Hintergrund“? Das ist doch Wahnsinn. Man hätte genauso gut schreiben können: „Vermutlich kein Zusammenhang mit dem umgefallenen Sack Reis in China“. Nur wäre das weniger verantwortungslos gewesen, da es vermutlich nicht (in leider breiten Teilen der Bevölkerung) ein wissendes Kopfnicken und ein inneres „Habe ich ja gleich gesagt“ ausgelöst hätte, bevor überhaupt auch nur die Headline im kompletten Hirn angekommen sowie vollständig verarbeitet worden ist.

Ich für meinen Teil werde diesem Teufelskreislauf unterbrechen und aufhören solche Beiträge zu teilen, mich darüber aufzuregen, etc. pp. Ja, ich weiß. Mit diesem Beitrag habe ich es noch ein letztes Mal getan. Ich hoffe jedoch, dass dieser Beitrag viele dazu anstiftet das selbe zu tun. Denn nur so können wir zurück zu einer neutraleren und weniger hetzerischen Medienlandschaft zurück kehren.

Zudem gibt es auf der Welt so viel Schönes. Es ist einfach nicht wahr, dass dies alles nicht so interessant sein soll. Ich finde den Spruch ziemlich hohl: „Nur negative Schlagzeilen sind gute Schlagzeilen.“ Man muss nur die Augen aufmachen – es lohnt sich.

Es gibt auch "Positive News". Man muss Sie nur entdecken.

Es gibt auch „Positive News“. Man muss Sie nur entdecken.

Im übrigen soll dieser Beitrag in keiner Form irgendwelche Opfer oder deren Angehörige beleidigen. Nichts läge mir ferner. Nur glaube ich das auch die Betroffenen die Berichtserstattung alles andere als gut heißen.

Wie seht ihr das Ganze? Was wären aus Eurer Sicht Alternativen? Vielleicht auch eine Art „Ignore-Grafik“ für Facebook, die den Medien zeigt das sie wieder übers Ziel hinaus schiessen? Nur befürchte ich, das dies auch wieder in die gleiche Kerbe schlagen würde.

p.s.: Bildmaterial by www.gratisography.com

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